OA Dr. Albert Handlbauer

Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie


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Beinlängendifferenz (BLD)

Wie kommt es dazu?

Es gibt verschiedene Ursachen warum es zu unterschiedlich langen Beinen kommen kann:

  • Knochenbrüche
  • Verletzungen der Wachstumsfuge
  • Hüftgelenkserkrankungen (Morbus Perthes, Hüftdysplasie,…)
  • Knochentumoren (Morbus Ollier, Knochenzysten, Morbus Recklinghausen,…)
  • Gelenksentzündungen (eitrige Gelenksentzündung im Säuglingsalter, Osteomyelitis,…)
  • Angeborene Fehlbildungen (Congenitaler Femurdefekt, Fibulahemimelie, Unterschenkelpseudoarthrose –CPT,…)
  • usw.
Behandlung

Einteilung:

Bevor eine Behandlung eingeleitet wird, muss zunächst festgestellt werden, um welche Art der Beinlängendifferenz es sich im konkreten Fall handelt:

• funktionelle Beinlängendifferenz (durch eingeschränkte Gelenksbeweglichkeit oder Muskelverkürzungen bedingt)

• anatomische Beinlängendifferenz (unterschiedliche Knochenlängen)

Ab wann muss eine Beinlängendifferenz behandelt werden?

• Geringe Beinlängendifferenzen bis 1 cm müssen nicht behandelt werden.

• Beinlängendifferenzen zwischen 1 und 2 cm stellen einen „Graubereich“ in der medizinischen Literatur dar, dh.: es gibt keine eindeutigen Behandlungsrichtlinien. Man muss sich dabei je nach Alter, Beschwerden und der Vorgeschichte des Patienten entscheiden.

• Beinlängendifferenzen über 2 cm sollen behandelt werden.

Behandlungsmethoden

nicht chirurgisch:

• Schuherhöhung (mit einer Erhöhung der Einlage oder Schuhsohlen-Aufdoppelung auf der kürzeren Seite)
• Orthopädisches Schuhwerk
• Orthesen bzw. Prothesen

chirurgisch:

• Wachstumslenkung
• (Verkürzung des längeren Beines)
• Verlängerung des kürzeren Beines


Wachstumslenkung

Was ist das?

Im Wachstumsalter kann durch die „Bremsung“ der Wachstumsfuge des längeren Beines ein Ausgleich der Beinlängendifferenz erreicht werden.

Das gleiche Prinzip kommt auch bei der Korrektur von Fehlstellungen im Wachstumsalter zur Anwendung.

Um den richtigen Zeitpunkt für den Eingriff zu ermitteln, ist die Erstellung einer Wachstumsprognose wichtig.

Um eine möglichst genaue Vorhersage treffen zu können, wird dafür das Knochenalter (biologisches Alter) des Patienten ermittelt (z.B. nach Greulich und Pyle).

Danach wird eine Einschätzung des noch zu erwartenden Längenwachstums der entsprechenden Knochen getroffen.

Operationstechnik

· Operation nach Canale:

Dabei wird die Wachstumsfuge in minimalinvasiver Technik über eine kleinen Hautschnitt im Bereich des Kniegelenks eröffnet.
Mittels einer kleinen Bohrung wird eine knöcherne Brückenbildung eingeleitet, welche zum Stopp der betreffenden Wachstumsfuge führt.

· Wachstumsbremsung mit der sog.„eigth-plate“ oder „PediPlate“:

Dabei handelt es sich um ein kleines Implantat (bestehend aus einem kleinen Blättchen und zwei Schrauben), das in schonender, minimalinvasiver Technik beidseitig am Knie platziert wird und das Längenwachstum des Beines vorübergehend bremst.

Wenn beide Beine wieder gleich lang sind, werden die Metallblättchen wieder entfernt, ohne die Wachstumsfuge dabei zu verletzen.

Im Einzelfall muss nach Abwägung der Vor,- und Nachteile der beiden Methoden entschieden werden, welche am besten für den Patienten geeignet ist.

Verlängerung des kürzeren Beines

Wenn man einen Knochen durchtrennt (an einer geeigneten Stelle und in der richtigen Technik) und die Knochenenden im Anschluss sehr langsam mit 1 mm pro Tag auseinanderzieht, bildet sich neuer Knochen.
Dieses Prinzip wird als Kallusdistraktion oder Distraktionsosteogenese bezeichnet.
Das Weichteilgewebe rund um den Knochen (Muskeln, Sehnen, Nerven, Haut,…) wächst dabei langsam mit.

Abhängig von Alter und Größe des Patienten bzw. gleichzeitigem Vorhandensein einer Deformität (Fehlstellung), kommen dabei zwei Behandlungsmethoden zur Anwendung:

• Der Fixateur Externe - Taylor Spatial Frame

Eine von außen durch das Weichteilgewebe angebrachte Haltekonstruktion (Ilizarov-Konzept), die entweder ringförmig um das Bein oder mit einer einseitig angebrachten Schiene stabilisiert wird.

• Der Verlängerungsmarknagel Typ Precise®

Ein in den Markraum des Knochens eingebrachter Nagel, der den Knochen teleskopartig verlängert.
Das System funktioniert völlig unter geschlossener Haut, ohne von außen eingebrachter Bohrdrähte und Pins.
Für eine simultane Korrektur der Fehlstellung ist eine detaillierte präoperative Planung (Reverse planning method) und die entsprechende chirurgische Technik zur Einbringung des Nagels unerlässlich.
Dieser Nageltyp ist im Inneren mit einem magnetischen Antrieb ausgestattet, der von außen völlig schmerzfrei angetrieben wird.
Die Übertragung der Energie erfolgt mittels Magnetismus über ein auf die Haut aufgelegtes Steuerungsgerät.

Aus biologischer Sicht funktionieren beide Systeme nach denselben Prinzipien, aber auf völlig unterschiedliche Weise.





Angeborene Fehlbildungen (Kongenitaler Femurdefekt – CFD, Fibulahemimelie, Tibiapseudarthrose - Congenital Pseudarthrosis of the Tibia CPT)

Allen angeborenen Fehlbildungen ist gemeinsam, dass sie sehr selten vorkommen und ein hohes Fachwissen erforderlich ist, um eine erfolgreiche Behandlung zu gewährleisten.

Das Orthopädische Spital Speising behandelt österreichweit die meisten dieser Fehlbildungen und verfügt über große Erfahrung auf diesem Spezialgebiet.


Kongenitaler Femurdefekt-CFD (proximaler Femurdefekt, PFFD)

Was ist das?

Beim kongenitalen Femurdefekt (CFD) handelt es sich um eine angeborene Verkürzung des Oberschenkelknochens (femur).
Die Bandbreite reicht dabei von einer geringen Verkürzung bis zu ausgeprägten Verkürzungen mit Gelenksfehlstellungen oder vollständigem Fehlen des Femurs.

Klassifikation

Es gibt unterschiedliche Einteilungen, die je nach Schweregrad der Erkrankung verschiedene Typen des CFD unterteilen:
  • Nach Aitken
  • Nach Pappas
  • Nach Paley (heutzutage am gebräuchlichsten, da klinisch relevant)
Behandlung

Bei der Behandlung wird das Hauptaugenmerk auf Beinlänge, Beinachse und die Stabilisierung der Gelenke gerichtet.

Wenn die Beinlängendifferenz nicht zu groß ist, kann diese mit einer orthopädischen Schuhzurichtung bzw. Orthesen ausgeglichen werden.

Abhängig wie stark das Hüft-, und Kniegelenk mit betroffen sind bzw. wie ausgeprägt die Oberschenkelverkürzung und die Fehlstellung ist, kommen verschiedene chirurgische Behandlungen zur Anwendung.

Oft ist eine Oberschenkelverlängerung mittels Fixateur externe (Tailor Spatial Frame) ausreichend.

Wachstumslenkende Eingriffe müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls in Erwägung gezogen werden.

Manchmal muss aber vorher ein rekonstruktiver Eingriff am Hüft-, oder Kniegelenk durchgeführt werden.

Basis jeder Behandlung sind eine eingehende klinische Untersuchung und eine bildgebende Abklärung mittels Röntgen und MRT.


Fibulahemimelie (Fibulaaplasie, Fibulahypoplasie)

Was ist das?

Bei der Fibulahemimelie handelt es sich um eine angeborene Verkürzung des Unterschenkels.
Es kommt dabei zu einer Verkürzung (Hypoplasie) oder zu einem Fehlen (Aplasie) des Wadenbeines (Fibula).

Häufig ist diese Erkrankung mit einer Sprunggelenks-, und Fußfehlbildung sowie einer Oberschenkelverkürzung (CFD) vergesellschaftet.

Klassifikation
  • Achtermann und Kalamchi
  • Typ Ia: Verkürzung des Wadenbeines im oberen Bereich
  • Typ Ib: Verkürzung des gesamten Wadenbeines mit Fehlbildung der Sprunggelenksgabel
  • Typ II: Fehlen des Wadenbeines
Behandlung

Wie beim Congenitalen Femurdefekt wird bei der Behandlung der Fibulahemimelie das Hauptaugenmerk auf Beinlänge, Beinachse und die Stabilisierung der Gelenke gerichtet.

Wenn die Beinlängendifferenz nicht zu groß ist, kann diese mit einer orthopädischen Schuhzurichtung bzw. Orthesen ausgeglichen werden.

Je nachdem wie stark der Fuß und das Sprunggelenk mit betroffen ist, muss vor einer Beinverlängerung eine Korrektur der Fußfehlstellung durchgeführt werden.

Wenn das Wadenbein gänzlich fehlt, ist in der Regel die Entfernung der sog. Wadenbein-Anlage (Bindegewebsstrang) notwendig, um weitere rekonstruktive Eingriffe zu ermöglichen.

Wachstumslenkende Eingriffe müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls in Erwägung gezogen werden.

Basis jeder Behandlung ist auch hier eine eingehende klinische Untersuchung und eine bildgebende Abklärung mittels Röntgen und gegebenenfalls MRT.


Tibiapseudarthrose (Congenital Pseudarthrosis of the Tibia-CPT)

Was ist das?

Bei der Tibiapseudarthrose handelt es sich um eine angeborene Knochenbildungsstörung im unteren Bereich der Tibia (Unterschenkelknochen).

Diese Fehlbildung ist in der Regel mit einer Antekurvation (Verbiegung des Unterschenkels nach hinten) und Varusfehlstellung (O-Bein) der Tibia verbunden.
Das Wadenbein ist häufig ebenfalls mit-betroffen.

In ca. 50% der Fälle tritt die Tibiapseudarthrose im Rahmen einer Neurofibromatose auf.

Klassifikation

In der Einteilung nach Crawford wird an Hand der Schweregrade Typ I-IV unterteilt.

Bei der mildesten Verlaufsform kommt es nur zu einer leichten Knochenverbiegung.
Bei der schwersten Form kommt es zu einer Unterbrechung der knöchernen Verbindung in Kombination mit einer starken Fehlstellung und Beinverkürzung.

Behandlung

Die Behandlung der Tibiapseudarthrose kann schwierig und langwierig sein.

Grundsätzlich soll, so lange wie es die Problematik zulässt, mit einer stabilisierenden Unterschenkel-Orthese behandelt werden.

Je älter der Patient ist, desto erfolgversprechender ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem das erkrankte Knochenareal entfernt werden muss.
Das fehlende Knochenstück wird entweder mit Hilfe eines sog. Segmenttransportes oder mit einer Transplantation des Wadenbeines ersetzt.


Tibiaaplasie (Tibiahypoplasie)

Was ist das?

Die Tibiaaplasie ist eine sehr seltene, angeborene Fehlbildung, bei der es entweder zu einer Verkürzung (Hypoplasie) oder einem vollständigen Fehlen (Aplasie) der Tibia (Unterschenkelknochen) kommt.

Häufig ist dieses Krankheitsbild mit einer Fußfehlbildung vergesellschaftet.

Klassifikation und Behandlung

Je nach Schweregrad werden in der Klassifikation nach Kalamchi und Dawe 3 Typen unterschieden:

Typ I (die Tibia fehlt):

Zentralisation des Wadenbeines und Stabilisierung des Kniegelenkes

Typ II (Fehlen der unteren Hälfte der Tibia):

Verbindung von Tibia und Fibula (Wadenbein) zur Stabilisierung des Kniegelenkes + Fibulatransplantation

Typ III (Tibiahypoplasie mit Auseinanderweichen von Tiba + Fibula)

Stabilisierung und Reposition des Sprunggelenkes mittel Fixateur Externe

Bei allen drei Typen ist zusätzlich eine Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln notwendig.


Curs recurvatum valgum (posteromedial Tibial bowing)

Was ist das?

Beim Crus recurvatum valgum handelt es sich um eine angeborene Fehlstellung des Unterschenkelknochens, kombiniert mit einem nach innen geneigten Fersenbein (Valgusstellung).

Die Tibia (Unterschenkelknochen) ist dabei nach vorne und außen gebogen, was damit auch den normal geformten Fuß in eine Fehlposition bringt.

Merkmale des Crus recurvatum valgum:
  • Biegung des Unterschenkels nach vorne und außen
  • Verkürzung des Unterschenkels (Beinlängendifferenz)
  • Fersenvalgus (nach innen geneigtes Fersenbein)
  • Schwäche der Wadenmuskulatur
Behandlung

In der Regel ist nach der Geburt zunächst keine spezielle Behandlung erforderlich.
Die Fehlstellung zeigt im Laufe des Wachstums eine starke Besserungstendenz.
Zum Zeitpunkt des Gehbeginns,- kann stabilisierendes Schuhwerk vorteilhaft sein.

In manchen Fällen bleibt aber ein Teil der Unterschenkelfehstellung (die Biegung nach außen) und eine Beinlängendifferenz zurück.
In diesen Fällen kann man mit wachstumslenkenden Eingriffen oder mit einer Beinverlängerung inkl. Korrektur der Beinachse die Deformität (Fehlstellung) beseitigen.

Voraussetzung dafür sind regelmäßige fachärztliche Kontrollen, um die richtige Behandlung zum richtigen Zeitpunkt durchführen zu können.